Was „American Pie“ in den 90ern war, war „Eis am Stiel“ (OT: „Eskimo Limon“) in den späten 70er Jahren. Die drei Teenager Benny, Johnny und Momo wachsen in den 50er Jahren in Tel Aviv auf. Sie interessieren sich für Mädchen, haben den ersten Liebeskummer, feiern Partys und geraten in Schwierigkeiten. Aber hauptsächlich geht es in „Eis am Stiel“ und den insgesamt sieben Nachfolgern um nackte Tatsachen und Sex – ob mit der ersten, großen Liebe, einer stadtbekannten Nymphomanin oder einer Prostituierten. Sex und nackte Haut sind zentraler Bestandteil aller „Eis am Stiel“ Filme.

Boaz Davidson schrieb das Drehbuch und fürte Regie beim ersten Film und den vier darauf folgenden. Für ihn sollte „Eis am Stiel“ eine lockere Komödie über erste sexuelle Erfahrungen, Freundschaft und Coming-of-Age sein. Inspiriert von seiner eigenen Jugend in den 50er Jahren in Israel und amerikanischen Filmen wie „American Graffiti„. Trotz der sehr klischeehaften und einseitigen Charaktere, wenig Handlung und, für die damalige Zeit vepöhnt, viel nackter Haut und Sex, wurde „Eis am Stiel“ sowohl in Israel als auch weltweit ein riesen Hit.

Der Film wurde 1978 bei der Berlinale gezeigt und ’79 für einen Golden Globe in der Kategorie Bester Ausländischer Film nominiert. Der große Erfolg vor allem in Deutschland, Österreich und der Schweiz führte dazu, dass „Eis am Stiel“ fortgesetzt und ab dem dritten Teil, „Eis am Stiel III – Liebeleien“,  als deutsch-israelische Co-Produktion fortgeführt wurde.

Ich bin ein großer Dokufan und schaue als Film- und Serienliebhaberin gern hinter die Kulissen. Daher finde ich Dokus über Schauspieler (sehr empfehlenswert z.B. die von Arte über Katharine Hepburn) und Filme besonders interessant. Die NDR Dokumentation „Eis am Stiel – Von Siegern und Verlierern“ wirft einen kritischen Blick hinter die Fassade der erfolgreichsten, israelischen Filmfranchise.

Was wurde nach acht „Eis am Stiel“ Filmen aus den Schauspielern Yiftach Katzur (Benny), Zachi Noy (Johnny), Jonathan Sagall (Momo) und all den anderen? Eric Friedler hat mit vielen Beteiligten von damals gesprochen. Bei einer seichten Sexkomödie wie „Eis am Stiel“ würde man nie vermuten, welche Dramen sich hinter den Kulissen abspielten. Neben geplatzten Träumen und Ängsten der Darsteller, geht es vor allem auch um die geringen Gagen, die alle erhielten. Von den erfolgreichen, weltweiten Merchandising Verkäufen sahen die Schauspieler keinen Cent. Dies ist nur einer von vielen Vorwürfen die die Schauspieler gegen Regisseur Boaz Davidson und die Produzenten erheben.

Zachi Noy der während und nach der Filmreihe stehts auf seine Rolle als Dicker Johnny reduziert wurde, leidet am meisten unter den Auswirkungen der Filme. Er spricht über Depressionen, u.a. weil er sich nie als seriöser Schauspieler etablieren konnte. Er versucht es zwar weiterhin, kommt aber nicht von seiner Paraderolle los. Oft tritt er in Deutschland als Schlagersänger mit Songs wie „Wir lieben Eis am Stiel“ auf. Auftritte hatte er auch im Deutschen Trash TV wie zuletzt beim „Promi Big Brother“, „Frauentausch“ oder „Das Supertalent“.

Yiftach Katzur arbeitet mittlerweile als Geschäftsmann und tritt nur noch selten als Schauspieler vor die Kamera. Besonders zu schaffen macht ihm, neben dem viel zu frühen Ruhm, das negative Frauenbild und der extreme Sexismus in allen „Eis am Stiel“ Filmen. Ophelia Shtruhl spricht in der Doku sogar darüber, dass der erste Film, in dem sie als Nimphomanin Stella zu sehen ist, ihr Leben und ihre Karriere als Schauspielerin ruiniert hat.

Jonathan Sagall arbeitet weiterhin als Schauspieler aber vor allem als Regisseur und Drehbuchautor. Er betrachtet die „Eis am Stiel“ Filme mittlerweile als Jugendsünde und möchte nichts mehr damit zu tun haben. Auch an der Doku wirkte er, als einziger, nicht mit.

Regisseur Boaz Davidson ist einer der wenigen, wenn nicht sogar der Einzige, Gewinner des „Eis am Stiel“ Erfolgs. Denn er konnte sich danach als erfolgreicher Produzent und Regisseur in Amerika behaupten.

Die Münchenerin Sibylle Rauch spielte ab dem dritten Film Bennys Cousine Trixi. Regisseur Boaz Davidson über Sibylle Rauch: „Der Deutsche Markt verlangte nach mehr Sex. Also nahmen wir diese Blondine, die umwerfend und sexy aussah. Schauspielern? Vergiss es! Sie konnte nicht spielen.“ Sibylle Rauch bewarb sich damals mit ihren Playboyfotos für „Eis am Stiel“ und wurde sofort genommen. Nach dem Erfolg der Filme begann sie Drogen zu nehmen und in einem österreichischen Bordell zu arbeiten. Zuletzt war sie in der dreizehnten Staffel von „Ich bin ein Star – Holt mich hier raus!“ zu sehen.

Neben dem Regisseur und den Hauptdarstellern kommen auch Nebendarsteller, Kostümbildner, Produzenten und Cutter zu Wort. „Eis am Stiel – Von Siegern und Verlierern“ ist eine Dokumentation über Ausbeutung, Armut, Erniedrigungen, Enttäuschungen, geplatzte Träume, Verluste, Schuldgefühle, Scham, Sexismus, Gewinner und Verlierer geworden. Absolut sehenswert, nicht nur für Fans von „Eis am Stiel“.

Titel

Eis am Stiel – Von Siegern und Verlierern

Erschienen

2018

Laufzeit

133 Minuten

Darsteller

Yiftach Katzur, Zachi Noy, Boaz Davidson, Anat Atzmon, Sibylle Rauch

Regisseur

Eric Friedler

Genre

Doku

FSK

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2 Antwort

  1. Marco

    Cool, ich liebe die Reihe ja. Oder zumindest die ersten Teile, die fand ich durchaus zutreffend als Teenager. Ein schönes Gegengewicht zum ach so ernsten John Hughes. 😀

    Antworten

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